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AutorenbildAmadeus & Alex

Im Gespräch: Florian Lechner, (Paulaner am Nockherberg)

Aktualisiert: 15. Aug. 2020

Seit 2017 betreiben Florian Lechner und Christian Schottenhamel zusammen den Nockherberg. Es ist eins der gastronomischen Aushängeschilder Münchens und das nicht nur wegen des alljährlichen Starkbierfestes. Als Koch zählt er zur neuen Generation der bayerischen "Chefs", die die heimische Küche moderner interpretieren, ohne das sie dabei die Tradition vergessen. Bester Beweis: das Bio-Hotel und -Restaurant Moarwirt, welches er zur kulinarischen Topadresse im Oberland führte. Lesenswert: Die neue Bayerische Küche (erschienen im BLV).

Wie hat sich das angefühlt als Sie plötzlich doch zusperren mussten?

Florian Lechner: „Unwirklich! Am 13. März 2020 sollte bei uns auf dem Nockherberg das Starkbierfest starten, drei Wochen lang mit ca. 2.500 Besuchern täglich im Schnitt. Stattdessen mussten wir das Geschäft schließen. Der Zustand ist ungefähr vergleichbar mit einer Vollbremsung bei 200 kmh auf der Autobahn. Da steht man unter Schock und muss sich erst Mal sammeln. Bis einem das wahre Ausmaß bewusst wird, das dauert!“


Profitiert der Gast auch von einer niedrigeren Mehrwertsteuer?

Florian Lechner: „Leider nein. Die Gastronomie wird nach der Öffnung kaum in der Lage sein, die Mehrwertsteuersenkung an die Gäste weiterzugeben. Um es klar auszudrücken: Alle Betriebe kämpfen gerade ums Überleben und benötigen erst einmal jeden Cent, um die aufgebaute Schuldenlast zu reduzieren und wieder atmen zu können.“


Der Paulaner am Nockherberg ist ein Brauhaus, da stellt sich automatisch die Frage: Was haben sie mit all dem Hausgebrautem gemacht?

Florian Lechner: „Zum Glück waren die gelagerten Mengen an selbstgebrautem Bier zum Zeitpunkt des Lock Downs überschaubar, da zur Starkbierzeit unser Fokus auf dem Paulaner Salvator liegt. Einiges von unserem selbstgebrauten Bier wurde verschenkt. Und – ich traue es mich kaum zu sagen – schweren Herzens mussten wir zu guter Letzt auch ein paar Hektoliter entsorgen. Unser Betrieb ist darauf ausgelegt, das Bier frisch vom Zapfhahn zu servieren. Für eine Abfüllung in Flaschen im größeren Stil sind wir nicht ausgestattet. Um den Betrieb zu erhalten, musste die Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden. Da war es uns nicht möglich, das Bier aufwendig und kostenintensiv in Flaschen abzufüllen, um es dann zu verschenken.“

Über zwei Monate keinen Umsatz, aber Kosten, wie überlebt man das?

Florian Lechner: „In dem man spart und die Kosten und Ausgaben auf ein Minimum reduziert. Die Belegschaft ist in Kurzarbeit geschickt, und man hofft und bangt. Eine Weile wird das noch gehen, schließlich gibt es bei einem eigentlich gut gehenden Betrieb auch Reserven – nur allzu lange darf dieser Zustand nicht mehr andauern. Die Gesundheit geht vor, ganz klar. Nur muss sich die Politik Gedanken machen, wie wir auch unsere Branche langsam aus dem Stillstand holen können, sonst geht die Lebensgrundlage für viele Unternehmen verloren.“


Die Absage des Starkbierfestes war ja schon ein echter Hammer. Maifest gibt’s auch keins. Was denkt man da im ersten Moment?

Florian Lechner: „Es ist etwas eingetreten, das niemand von uns für möglich gehalten hätte. Und ganz begriffen habe ich es offen gestanden immer noch nicht. Zudem kann man niemandem die Schuld geben, keiner kann etwas dafür, niemand hat konkret etwas verbockt. Man fühlt sich den Gewalten ausgesetzt und verliert doch ein wenig vom eigenen Urvertrauen. Aber die Zuversicht verliere ich deshalb nicht – auf dem Nockherberg wird wieder gefeiert werden. Es ist nur eine Frage der Zeit.“



Wenn ihr Oberbürgermeister oder Ministerpräsident wärt, was wären eure Maßnahmen, um der Gastronomie/Hotellerie zu helfen?

Florian Lechner: „Generell würden wir uns in dieser Zeit mehr Präsenz und Engagement unseres Oberbürgermeisters für unsere Branche wünschen. Klar sind seine Befugnisse bei einer weltweiten Pandemie begrenzt, aber gerade in Bezug auf Pachtzahlungen für Freischankflächen usw. gäbe es Möglichkeiten für ihn, Flagge zu zeigen und sich für die ortsansässigen Betriebe einzusetzen.

Von Staat und Bund fordern wir:

Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 7 % auf Speisen rückwirkend ab dem 1.1.2020 einzuführen und ohne eine bereits festgelegte zeitliche Begrenzung.

Die Anhebung des Kurzarbeitergeldes für unsere Angestellten kommt zu spät.

Die Umsetzung des Gesetzentwurfs zur Wandlung von Veranstaltungstickets in Gutscheine muss schnellstmöglich kommen.

Es benötigt einen sinnvollen Plan zur Öffnung der Gastronomie unter Einbezug von Wirten und gastronomischem Personal. Es braucht dringend einen zeitlichen Ausblick und Perspektiven.

Freischankflächen sollten vorübergehend erweitert und die Gebühren dazu erlassen werden.“


Wie kann man euch aktuell unterstützen?

Florian Lechner: „Zum Beispiel in dem man nicht auf eine sofortige Rückzahlung von Veranstaltungstickets pocht. Und vor allem eines: Wiederkommen, sobald es endlich wieder losgehen kann. Und sich dann bitte auch als Gast an die geforderten Hygieneauflagen halten, um es den Gastronomen in dieser unsicheren Phase nicht noch unnötig schwer zu machen. Bis die Phase der Öffnung endlich kommt, würde ich mir wünschen, dass die Menschen weiter zu Hause bleiben und aufpassen, damit die Zahl von Neuinfektionen weiter deutlich zurück geht und eine Öffnung für die Gastronomie endlich in den Bereich des Möglichen rückt.“

Paulaner am Nockherberg, Hochstr. 77, 81541 München

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